18 Apr

Ostergruß

Ein gesegnetes Osterfest

 Mit einem kleinen Einblick  in unser indisches Leben, und mit guten Wünschen zu einem frohen Osterfest, grüße ich Sie herzlich.

Gern höre ich die Nachrichten aus Europa, das die Bäume blühen und grün werden, dass es wärmer wird, was sich automatisch auf die Stimmung auswirkt und dass es endlich Frühling wird. Das ist die Jahreszeit, die ich in Indien am meisten vermisse. Frühling kommt für mich gleich mit neuem Leben, erblühen. Es ist wie ein Wunder. Ein Wunder in der Natur, das sich fortpflanzt in die Seele, das Gemüt und das Herz. Und das wir in gerader dieser Zeit das Fest der Auferstehung Jesu feiern, ist für mich als Christ ein Wunder neuen Lebens.

In Indien kennen wir nur 3 Jahreszeiten: die Regenzeit, den sogenannten Winter nach der Regenzeit und den Sommer mit schleichendem Beginn im März dem Höhepunkt im Monat Mai. Tamil Nadu, der Staat in dem ich lebe, kennt keine so wesentlichen Temperatur Unterschiede; denn der Volksmund drückt es so aus:“heiß, heißer am heißesten“.

Und in dieser Phase befinden wir uns – am heißesten – mit einer Temperatur im Augenblick von 41 Grad  °C.

Die Erde ist ausgetrocknet, die Brunnen versiegen und das Trinkwasser wird knapp. Firmen, die Softdrinks, wie z.B. Coca Cola herstellen, haben ihre Produktion eingestellt, da nicht ausreichend Wasser vorhanden ist. Das uns vom Staat durch Leitungen dreimal pro Woche zu geschickte Trinkwasser kommt nur noch jede zweite Wochen, in manchen Ortsteilen nur noch alle drei Wochen. Unser wunderschöner schattenspendender Baum, vor dem Haus, verliert alle Blätter. Da er keine Frucht bringt – z.B. kein Kokosnussbaum ist – wird er beim wässern vernachlässigt.

Ganz fruchtbar zeigt sich unser Zitronenbaum, an dem wir täglich schütteln und in Fülle ernten. 

Die Bäume – hier im Bild – die wir im vergangenen Jahr mit Ihrer Hilfe gepflanzt haben, sehen noch gut aus; denn ich weiß nicht, wie lange man ihnen noch Wasser geben darf. Wir beten täglich um Regen, einen richtigen Sommerregen, und wir ergänzen, dass wir das Gewitter mit in Kauf nehmen.

Während ich diesen Brief schreibe, sitzen die Kinder  in unserer Halle, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Wir hoffen, dass das Gehirn durch die Hitze nicht ausgebrannt ist, und der Verstand die Schüler/innen die korrekten Antworten nieder schreiben lässt. 

Die Abiturienten/innen hatten Anfang April ihre letzten Prüfungen und warten bis zur ersten Maiwoche auf ihr Ergebnis.

Belsiya ist zurzeit auf der Suche nach einem Praktikumsplatz, was sich nicht so einfach zeigt. Auch sie wird im Juli ihr Masterstudium in Multi-Media abschließen.

Die Studentinnen, die in unserem Haus wohnen, beginnen nach Ostern mit dem 2. Semesterexamen und bereiten sich darauf vor. Das ihnen zwischendurch die Augen zu fallen, ist kein Wunder; denn der Körper ist durch die Hitze nicht so ausgeruht und fit.

In Deutschland freut man sich auf den Sommer, wenn es denn einen richtigen gibt.  In Viralimalai ist die Freude nur bei den Kindern groß; denn sie haben Schulferien. Ich muss immer lächeln, wenn Menschen in Deutschland mit Sehnsucht in den Augen von einem wolkenlosen Himmel schwärmen. Dazu kann ich nur sagen, bitte kommt nach Indien, diesen wolkenlosen Himmel kann ich garantieren, ohne himmlischen Einfluss auszuüben. Aber nach vielen Monaten wird man diesen auch Leid und sehnt sich nach Regen und Abkühlung.

Wir, in Viralimalai, sehen dem diesjährigen Sommer mit großer Sorge entgegen. Seit 4 Jahren hatten wir keine Regenzeit in Tamil Nadu. Unser Brunnen ist leer. Pro Tag können wir zwei mal 10 Minuten den Motor anstellen, danach kommt kein Tropfen Wasser mehr. Wir haben einen kleinen Lastwagen Wasser gekauft, damit für das Notwendigste gesorgt ist. Wie lange noch Wasser gekauft werden kann, ist auch fraglich.  Es bahnt sich eine Katastrophe an; die nicht nur uns betrifft, sondern den ganzen Staat. Der Grundwasserspiegel ist gesunken. Wir stehen vor der Entscheidung einen neuen Brunnen zu bohren, falls es noch Grundwasser auf unserem Grundstück gibt.

In einem meiner Briefe habe ich über die finanzielle Situation in Indien berichtet. Und versucht zu erklären, wie hart diese Zeit der Geldentwertung war. Inzwischen hat sich unsere finanzielle Lage beruhigt, wir können wieder die für uns notwendigen Beträge von der Bank abheben, obwohl der Staat lieber sehen würde, dass alle bargeldlos bezahlen.

Sorgen macht uns die politische Situation. Zwei wichtige Staaten in Nordindien werden seit März von der gleichen Partei regiert, die auch das Sagen für ganz Indien hat. In einem der beiden Staaten ist ein Guru – wir würden sagen ein indischer Hindupriester – Ministerpräsident. Die Schlachthöfe der Muslime wurden/werden geschlossen, der Verkauf von Alkohol ist verboten und das ist erst der Anfang. Auch in Viralimalai kann man kein Bier mehr kaufen; denn alle Weinshops, wie sie so schön heißen, sind zu. Aber wie kommt es, dass wir gestern einen betrunkenen Mann auf der Straße gefunden haben???

Damit beschließe ich meinen kleinen Bericht über unser derzeitiges Leben. Es gibt Phasen in unserem Leben, wo wir uns wünschen, dass die Zeit stehen bleibt; zum Atmen holen, zum genießen und um sich zu erholen.

All das wünsche ich Ihnen und Ihren Familien. Bleiben Sie uns; den Kindern, den Frauen im Nähzimmer und allen Menschen, denen wir durch Ihre Hilfe neue Perspektiven aufzeigen können, gewogen.

Gisela Häring