24 Dez

Frohe Weihnachten 2011

Weihnachten 2011

Liebe Verwandte, Freunde und Bekannten,

mit einem herzlichen Gruß aus Indien/Viralimalai melde ich mich nach einer langen Zeit wieder. Es sind sicher eine Reihe Entschuldigungen anzuführen,  warum zwischen den beiden christlichen Hochfesten Ostern und Weihnachten kein Lebenszeichen von uns zu Ihnen kam. Es tut mir leid. Dafür plage ich Sie über die Feiertage mit einem etwas längeren Bericht.

Sie auf dem neuesten Stand zu halten und Ihnen alles mitzuteilen, was sich seit Ostern getan hat, würde zu einem Buch werden. Das lasse ich lieber.

Ich werde mich in diesem Brief auf ein Thema beschränken; das Thema Heiraten in Indien. Hochzeiten waren in diesem Jahr angesagt.  Aus unserem Nähzimmer wurde 5 jungen Frauen der Knoten gebunden, so sagt man hier. Ich werde dies später näher erklären.  Junge Frauen, denen wir zum Studium verholfen haben, wurden verheiratet. Bei einigen  wie bei Paulin und Fathima war es eine Liebesheirat, die, nachdem die Eltern „dahinterkamen“,  dass die Töchter sich verliebt hatten, die Hochzeit anrrangiert haben. In beiden Fällen war es demnach auch ein schönes, fröhliches Fest.

Chandrakalla mußte auch auf Grund Ihres Alters – 28 Jahre – noch in diesem Jahr verheiratet werden. Diese Feier fand im Juli statt. Vernünftig bejahte sie den Mann, den ihre Familie für sie ausgesucht hat. Ihr Kommentar war:“Es ist in Ordnung, er hat die 10. Klasse abgeschlossen wie ich und es paßt.“ Je höher die Ausbildung /Studium des Bräutigams, um so höher die Mitgift. Und in bestimmten Kasten wird auf eine hohe Bildung der Frau verzichtet, weil man dann keinen Mann findet.

Die Feier dauerte cirka 2 Stunden. Um einen berühmten Tempel herum befinden sich einige Hochzeitshallen, die cirka 500 Gäste bewirten können.  Dort war eine Bühne aufgebaut. Zuerst gab der Bräutigam der Braut einen neuen Sari, den sie dann angezogen hat. Der Hindupriester betete und vollzog viele Rituale, die ich mir gar nicht alle merken konnte. Als ein schönes Symbol empfand ich, das der kleine Finger des Bräutigams mit dem der Braut – ein gelbes Band – aneinander gebunden wurden. Der Mann ging dann voraus  und hat Chandrakalla um das Feuer geführt.  Der eigentlich Akt des Verheiratet-seins ist das Binden des Thalis.  Ein gelbes, etwas dickeres Band –  bei Hindus mit einigen Hindugöttern als Amulette – wird wie eine Halskette vom Bräutigam um den Hals der Braut geknotet. Ein anderes Symbol, das zeigt, dass die Frau verheiratet ist, ist ein Silberring der um den 2. Zeh gesteckt wird. Jetzt kommt sicher die Frage:“ Und was für ein Zeichen trägt der Bräutigam?“  Gar keines!

Auch Vasanthi wurde am 14.12.2011 verheiratet. Sie ist die Künstlerin, die unsere Glückwunschkarten malt.  Da sie jetzt schon 29 Jahre alt ist, wurde es „Zeit“ sie unter die Haube zu bringen. Schon Jahre gehen Freunde und Verwandte auf Brautschau.  Vasanthi  stellte  nur eine Bedingung: ihr zukünftiger Ehemann soll gebildet sein. Bis „er“ endlich gefunden wurde, sprachen viele vor – 30 an der Zahl – die aber alle kaum Schulbildung hatten. Vor cirka 8 Wochen kam Vasanthi mit der Neuigkeit, dass es einen „Interessenten“ gibt. Man muß sich das folgendermaßen vorstellen. Verwandte – die männliche Seite – sucht, und sowas spricht sich rund. Vor allem auch deshalb, weil man bei der Hochzeit doch sehr streng nach der Kastenzugehörigkeit  vorgeht. Als die Eltern des jungen Mannes Interesse zeigten, kamen diese erst mal in das recht kleine Haus von Vasanthi´s Mutter. Das brachte der Braut negative Punkte. Wir lebten in der Vorstellung – vor allem die Mutter,  dass es einfach ist für ihre jüngste Tochter einen Mann zu finden; denn Vasanthi ist hübsch und gebildet, hat eine Lehrerinnen Ausbildung und studiert Mathematik fürs Gymnasium. Aber weit gefehlt. Ein dickes Konto hätte ihr eher geholfen als die Ausbildung und die Schönheit.

Die beiden Parteien traten nun in die Verhandlung ein. Eigentlich ist es nur die Seite des Brätigams, die Ansprüche erhebt. Gold, Saris, ein Motorrad, Bett, Schrank, Küchenartikel, Töpfe und elektrische Geräte die in eine indische Küche gehören. Am Tag der Hochzeit – dies war am 14.12.2011, wurde die ganze Mitgift ausgestellt. Da die Mutter Witwe ist und schon 2 Töchter verheiratet hat, kann man sich vorstellen, wie schnell da die Pfründe weg sind.  Viele Tränen gab es wegen der Tatsache, das alle Töchter bei den Ehemänner wohnen und die Mutter jetzt alleine ist. Vasanthi hat sie mit ihrem verdienten Geld ernährt. Es war ein tränenreicher Tag.

Dieses Ereignis – kein Einzelfall – hat uns  traurig und auch wütend gemacht. Auch unsere Praktikantinnen waren sprachlos.

Die Hochzeit von Jacquline Mary war am 5.11. Es war eine arrangierte Hochzeit. Sie hat sich einverstanden erklärt mit einem Mann vermählt zu werden, der nach der 10. Klasse die Schule verlassen hat und als angelernter Schreiner arbeitet. Sie selbst hat ein Masterdegree in Betriebswirtschaft. Ihr Argument für dieses Arrangement war:“Ich komme aus einer armen Familie, und er kommt auch aus einer armen Familie, ich kann nicht mehr erwarten.“

Begleiten wir alle Paare mit guten Wünschen und Gebeten für eine gute Zukunft. Wir werden in den nächsten Tagen einige Bilder von der Hochzeit auf unserer Internetseite veröffentlichen.

Wir leben noch in der Regenzeit. Der Nord-Ost-Monson hat uns nicht mit Regen verwöhnt.  Wir,  in Tamil Nadu sind auf Wasser von angrenzenden Staaten angewiesen. So ist im Augenblick ein heftiger Streit zwischen Tamil Nadu und Kerala im Gang. Das hat zur Folge, das wir pro Tag 6 – 8 Stunden keinen Strom haben. Da sich die Stromausfälle auf den Tag beschränken, müssen wir schauen, wann wir Wasser hochpumpen, die Bügeleisen im Nähzimmer zum Einsatz kommen, den Ofen und den Wasserkocher benutzen.

Andere Neuerungen, die uns plagen und tief in die Tasche greifen lassen, haben wir aus der Tageszeitung erfahren.  Ab  dem 18. November ist der Strompreis um 110%  angehoben worden, die Milch kostet das Liter jetzt nicht mehr 24 Rupees – 1 € sind im Augenblick cirka 67 Rupees – sondern 31 Rps. Das Busticket kostete uns bislang 10 Rupees und der Preis ist auf 20 Rupees angestiegen.  Der kräftig angestiegene Strompreis zieht einen langen Schweif an Verteuerungen mit sich: Reis, Baumwolle, Kleider  und andere stromabhängige Dinge.

Was hat das alles mit Weihnachten zu tun frage ich mich gerade, vielleicht stellen Sie auch diese Frage.

Eine Antwort kommt mir gleich in den Sinn, und das ist ein Danke! Wir können immer noch „überleben“ und  Dinge teilen, weil Sie mit uns teilen und uns beschenken. Das hat Gott als Kind in der Krippe getan, er wurde Mensch und das tun sie  für uns.

Danke  dem Mittwochgebetskreis von Höchsten, der uns durch regelmässige Spenden unterstützt.  Danke allen, die Schuhe für uns putzen, die auf Märkte gehen, im Winter auf die Weihnachtsmärkte und sich kalte Nasen holen, Märkte auf an vielen Orten in Deutschland. Danke, den „Transporteuren“  unserer Handarbeiten.  Danke! Wie sagt Frau Walburga Kunz:“Mir han en Firma zu leiten“. Danke! Danke für alle die eine Patenschaft übernommen haben, die es unseren Kindern möglich machen gute Schulen zu besuchen. Danke den Pfarreien Urmitz, Kaltenengers und St. Sebastian. Danke an alle, die bekannter und unbekannter Weise uns durch Ideen, Interesse und Gebet unterstützen. Bleiben Sie am Ball auch im nächsten Jahr. Wenn Sie noch nicht von uns „besetzte“ Plätze für Märkte finden und Zeit opfern können und wollen, tun Sie es.

 

Das Kind in der Krippe soll Sie alle reich beschenken, das wünschen wir Ihnen/Dir  von ganzem Herzen, und dass alle Wünsche, die sie haben, 2011 in Erfüllung gehen.

 

Ihre Gisela Häring