07 Apr

Schwierige Zeiten in Tamil Nadu

Mit einem herzlichen Gruß melde ich mich aus Viralimalai,

Wenn wir die Internetseiten aufschlagen, werden wir von Nachrichten über den Virus Covid-19 überhäuft. Wir sehen Statistiken über Verläufe, Erkrankungen, Heilungen und Todesfälle.

Die Meldungen über Neuerkrankungen überschlagen sich…auch in Indien.

Wie ich aus den deutschen Nachrichten entnehme, ist Indien, im Zusammenhang mit dem Corona Virus, immer wieder in den News.

Für viele Wochen haben wir hier in Tamil Nadu wie durch ein Fenster auf die Außenwelt geschaut, in der Hoffnung, Gott möge uns verschonen. Das hat sich seit circa 14 Tagen drastisch geändert.  Es hat mit der Schließung der Schulen und Universitäten am 17. März begonnen. Die Prüfungen der Abiturienten wurden mit dem 23. März abgeschlossen. Am 19. März hat unsere deutsche Praktikantin Daphne  die Aufforderung bekommen, Indien so schnell wie möglich zu verlassen. Sie ist diesem Aufruf gefolgt und stand seit dieser Zeit auf der Rückholliste, die von der Deutschen Botschaft in Delhi eingerichtet wurde. Inzwischen ist sie gut in Deutschland angekommen. Über diese Fahrt in Richtung Flughafen gleich mehr.

Am 22.3. wurde uns ein 24 Stunden Ausgehverbot auferlegt, das dann am 23.3. abends ab 18 Uhr für 3 Wochen verlängert wurde. Leider werden diese Verbote am Abend verkündet und um Mitternacht hatten wir uns daran zu halten. Es gab nicht viel Zeit, uns darauf vorzubereiten.

Wer Indien und die Inder kennt, würde sicher denken, in einem anderen Land zu sein. Normalerweise, muss ein Verkäufer immer drei Personen auf einmal bedienen. Ohne drängeln geht nichts in diesem Land. An den Schaltern, ob es die Bank, die Post oder die Bahn ist, hängen immer mindestens drei Personen in deinem Rücken. Jetzt steht man in einer Reihe mit dem nötigen Abstand.

 Der Staat hat den Kindern in den Schulen Seife geschenkt, damit sie die Hände waschen. Die Straßen sind leer. Es gibt nur Öffnungszeiten für die Gemüseläden, die Apotheken, die kleinen Lebensmittelgeschäfte – nicht die Supermärkte – und die Milchgenossenschaften von morgens 9 Uhr bis 12.30Uhr. Es fahren keine Busse. Die Firmen haben überwiegend die Produktion eingestellt oder fahren nur mit einer Arbeitsschicht. Die Polizei wacht auf den Straßen und wenn sie drei Jungens auf einem Motorrad sieht zögert sie nicht, mit dem Knüppel drauf los zu schlagen oder sie müssen aufs Polizeirevier und kommen mit einer Verwarnung davon. Wenn die Mädels sich das erlauben, dürfen sie einige hinduistische Übungen machen… so wie Liegestützen. Die Grenzen zu den Distrikten sind geschlossen. So können wir nicht ohne weiteres nach Trichy fahren, da wir zum Puddukkottai Distrikt gehören. Damit habe ich auch gleich die Überleitung zu der Ausreise von Daphne. Sie und ihre beiden Mit-Praktikanten, die im Kinderdorf „Sunrise“ waren, bekamen die Aufforderung, sich auf den Weg nach Chennai zu machen und dort mit anderen Deutschen in einem Hotel auf eine Nachricht über den Abflug des Fluges nach Deutschland zu warten. Gut gesagt, aber wie nach Chennai kommen? Kein Zug, kein Bus, kein Taxi. Glücklicherweise haben die Schönstattpatres Nikolas und Stephan nach Viralimalai gebracht und wir haben dann mit einem Taxifahrer unseres Vertrauens eine Fahrt nach Chennai organisiert. Die Erlaubnis wurde von der höchsten indischen Behörde in unserem Distrikt erteilt. Mit einem Passierschein von der deutschen Botschaft und anderen Papieren ging es dann auf Wunsch von Fahrer Antony vor 10 Tagen um 19 Uhr los. Es mussten 7 Distrikte durchfahren werden… davor hatten die Fahrer Angst. Ausgestattet mit Masken und Handschuhen ging es los. An jeder Straßensperre reichte der Fahrer die Papiere aus dem Auto mit der Bemerkung, dass er Deutsche Touristen nach Chennai fahren muss. Alle Polizisten haben sich sofort 2 Meter vom Auto entfernt, die Papiere nicht in die Hand genommen und das Auto durchgelassen. Es war nicht nötig darauf hinzuweisen, dass die jungen Leute schon seit August 2019 in Indien sind…

Da im Weltvergleich in Indien nur – bislang – wenige infizierte Menschen leben, besteht doch eine große Angst, dass der Virus sich ausbreitet, wenn man an die  Bevölkerungsdichte Indiens denkt. Es leben so viele Menschen auf der Straße und  in Slums.

Es macht uns jetzt schon große Sorgen, wie die Menschen, die einen kleinen Straßenladen haben und z.B.  am Abend Tee verkaufen und kleine Snacks, diese 21 Tagen Ausgangssperre überleben.

Unsere Schneiderinnen haben seit dem 23.3. bezahlten Urlaub. Doch seit gestern haben wir vier Mitarbeiterinnen einberufen, die Mund- und Nasenmasken nähen, da dies zurzeit ein hygienischer Artikel ist, der gebraucht wird.

Wir haben 30 Pakete gepackt mit 5kg Reis, Gewürzen, Zucker, Gemüse, Tee und Seife und diese zu den Familie gebracht, die kein Einkommen haben. Die Polizei hat die jungen Leute angehalten, aber nach dem sie erklären konnten, warum sie auf der Straße sind, hat die Polizei sie weiterfahren lassen.

 80 % der Bevölkerung in unserem Ort, dazu zählen auch die Ehemänner unserer Näherinnen, sind Schreiner von Beruf und können zurzeit nicht  zur Arbeit gehen. Keine Arbeit, kein Lohn, keine Nahrung.  So gut es geht, unterstützen wir die Familien. Vor allem sind es die Witwen, die Hilfe brauchen. Da wir davon ausgehen müssen, dass nur wenige Personen eine Rente vom Staat bekommen,  ist Hilfe notwendig. Aber es macht auch Freude, dies zu tun.

In den Medien wird sicher von dem großen Treffen der Muslime berichtet, die die Anzahl der infizierten Menschen auch in Tamil Nadu erhöht haben. Verschwiegen wird in unseren Medien, dass der Staat eine Versammlung von Tausenden Hindus erlaubt hat. Wie viele Menschen sich dort infiziert haben, entzieht sich unserer Kenntnis.

Der Staat hat das Ausgangsverbot bis zum 14. April verlängert.  Mit allen Christen in der Welt teilen wir auch das Leid, dass die Kirchen geschlossen sind, keine Gottesdienste stattfinden. Für die Christen in Indien, die das Drama lieben, sind die Kreuzwegstationen an Freitagen gebetet ein Höhepunkt in der Fastenzeit. Auch darauf muss verzichtet werden.

Eigentlich sollte mein Flieger mich am 1. April nach Deutschland bringen, aber alle Flüge wurden gestrichen. Wie alle Deutschen hätte ich mich auf die Rückholliste einschreiben können. Ich habe mich entschieden hier zu bleiben, denn wieder nach Indien zurück zu kommen, wäre dann so schnell kaum möglich gewesen. Es bleibt offen, wann der nächste Flieger mich in die alte Heimat bringt.

In der Hoffnung, dass „alles wieder gut wird“ und uns diese Situation etwas lehrt, beten wir füreinander. Besonders wünsche ich ein frohes und gesegnetes Osterfest in diesem Jahr in einer anderen Weise, aber dennoch herzlich miteinander verbunden.

 Ich grüße Sie/Dich herzlich mit gefalteten Händen und sage „Vanakam“ oder „Namaste“

Gisela

 

03 Jan

Ein kleiner Gruß zu Weihnachten

In meinem letzten Bericht habe ich von den Auswirkungen des Zyklon Gaja berichtet. Die Reparaturarbeiten laufen sehr langsam an, da wir mit einem zweiten Zyklon rechnen müssen. Die Solarreflektoren werden Anfang Januar erneuert. Bis jetzt haben wir noch nicht alle Reflektoren gefunden, die vom Dach weggeflogen sind.

Die Zeit des Advents ist wie wohl an vielen Orten eine sehr beschäftige Zeit.

 Wir sind mit einer kleinen Gruppe in viele Dörfer gegangen, um mit den Menschen zu singen und die gute Botschaft von Weihnachten zu bringen. In einem kleinen Dorf haben wir das Programm  ausgedehnt, und es mit tanzen – es ist ein Talent – das die jungen Menschen in Indien besitzen, ausgeschmückt.

Eine Tradition an Weihnachten in Indien ist die, dass man guten Freunden einen Kuchen bringt. Da unser Kuchen, im Haus gemacht, sehr begehrt ist, hat unsere Bäckerei in diesem Jahr 100 Kuchen gebacken. Die Hälfte davon wurde bei uns als Bestellung aufgegeben und natürlich bezahlt.

Ebenso haben wir elf verschiedene Sorten Kekse gebacken, die sehr begehrt sind.

Vor einer Stunde hatten Stella und Shakila einen Unfall mit dem Motorroller, wir hoffen, dass der linke Unterschenkel  von Stella nicht gebrochen ist. Sie mussten auf der Straße einer Kuh ausweichen…

Ein kleines Weihnachtsfest, das wir mit allen Kindern die zu uns zur Nachhilfe kommen und deren Eltern gefeiert haben,  hat vielen Freude bereitet. Christen und Hindus konnten zusammen tanzen und  „Happy Christmas“ singen.

Und das wünsche ich Ihnen auch von ganzem Herzen, frohe und gesegnete Weihnachten und eine gutes und erfolgreiches Jahr 2019.

Gerne sende ich ihnen die beiden Engel, und wünsche, dass sie Ihnen die gute Botschaft bringen und Sie auf all Ihren Wegen beschützen.

Bleiben Sie uns gewogen. Mit dankbarem Herzen für Ihre Hilfe, Ihr Gebet und Unterstützung jeglicher Art grüße ich Sie in Namen aller Menschen, denen Sie Gutes tun.

Gisela Häring

12 Dez

Bericht zum Zyklon Gaya

Am 7.11. flog ich nach Deutschland. Es wurde alles organisiert, was zu organisieren war, aber es gibt Dinge, die kein Mensch einplant und organisieren kann.

Am 16.November morgens, um 7 regnete es in Tamil Nadu. Alle beteten, dass noch mehr Regen kommen soll, den wir nötig brauchen, aber es war auch der Stille Wunsch da, das das College und die Schule ausfallen, wenn der Regen noch heftiger runter prasselt. Aber niemand war auf einen Cyclon vorbereitet, der in 30 Minuten einen ungeheuren Schaden hinterließ. Er kam vom Bengalischen Meer und verheerte Vailankani, Nagapattinam und kam in unseren Distrikt. Von hier brauste er nach Dindigul und Kodaikanal.

Die kleinen Häuser verloren ihre Dächer, die Strommasten lagen auf dem Boden, Bäume wurden entwurzelt, große Hinweis- und Verkehrsschilder und Vordächer flogen davon.

Wir verloren unsere Solarkollektoren. Sie flogen zwei Straßen weiter oder zu unserem Nachbarn und rissen deren Dach auf. Das große Fenster in unserem zweiten Haus, das Helligkeit brachte, vor Regen und Affen schützte, zerbrach völlig. Große und kleine Bäume fielen um, wurden entwurzelt oder verloren dicke Äste.

Für Tage gab es keinen Strom, kein Wasser, man konnte nichts kaufen und nicht in die Dörfer fahren, da alles durch Bäume, Dächer und Asbestteile total blockiert war. Bis zum heutigen Tag sind die Dörfer noch nicht mit Wasser und Strom versorgt.

Wir müssen unsere Solaranlage erneuern.   Wir hängen zurzeit am offiziellen Stromnetz. Wir merken nun, wie sehr uns Solarenergie bei der Arbeit im Nähzimmer, bei der Nachhilfe am Abend hilft und einfach eine Garantie für Strom ist. Jetzt wird alles durch die ständigen Stromausfälle unterbrochen

Eine junge, Frau, die im vierten Monat schwanger war, wir haben ihr ein Studium ermöglicht, wurde von einem Asbestdach am Hals getroffen und starb auf der Stelle. Ein sehr trauriges Ergebnis des Unwetters.

Die Spätfolgen, dieses Zyklon Gaya, werden wir in den Sommermonaten erleben, wenn es keine Früchte gibt, keine Bananen, Mangos oder Kokosnüsse und keine Schattenspendend Bäume gibt.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit

Gisela Häring

PS: es wird ein zweiter Zyklon vorher gesagt…