04 Apr

Ostergrüße aus Indien

Ein Gruß aus Indien

 

Ein froher Gruß aus Indien mit kleinen und großen Alltagsgeschichten und Alltagssorgen. Das folgende Erlebnis paßt  zwar besser in die Weihnachtszeit, aber es hat sich im Februar zugetragen.

Es begab sich am 10. Februar um die Mittagszeit – ich packte – als mehrere Stimmen eindringlich  nach mir riefen. Komme ganz schnell runter – mein Zimmer ist im 1. Stock. Mein erster Impuls ist immer, es ist einer Person schlecht geworden, sie verblutet  oder ist ohnmächtig geworden. Wie Krankenschwestern so denken. Aber es war anders. In unserer Halle erwartete mich eine Frau mit einem kleinen Bündel Mensch auf dem Arm. Ich war zuerst verwirrt, überrascht. Dann kam so ein kleines Gewimmer aus den Tüchern. Es war ein kleiner, untergewichtiger Junge , der gerade 5 Stunden vorher das Licht der Welt erblickt hatte.  Ganz schnell wurde mir dann erzählt, das die Mutter des Jungen  nach der Geburt gestorben ist und der Vater des Jungen das Kind nicht wollte. Die Familie – entfernte Verwandte – hoben im Garten den Boden aus, um das Neugeborene dort zu begraben und sterben zu lassen.

Meenas ältere Schwester rief hier an und fragte, ob die „Schwester“ – das bin ich –  wohl eine Lösung für das Kind hat. Meena hat sofort reagiert und ihre Schwester nach Viralimalai beordert. (Von Meena wird später nochmals berichtet) Es war für uns unverständlich, dass der Erzeuger des Babies einen Jungen ablehnte. Wäre es ein Mädchen, wäre es zu erwarten gewesen, wenn wir dafür auch überhaupt keine Verständnis haben. So, jetzt hatten wir den kleinen Jungen. Was tun? Wenn wir ihn in ein Adoptionszentrum geben, wird er zwar gefüttert aber… Es sind so viele dort, um individual ein Baby zu versorgen. Aber da war noch unsere Susila. Sie ist seit 13 Jahren verheiratet und  das Ehepaar hat einen Kinderwunsch, der bisher nicht erfüllt wurde, obwohl schon alle möglichen Therapien ausprobiert wurden. Doch so schnell, so plötzlich Mutter zu werden?? Was wird der Ehemann sagen, die ganze Großfamilie, die ja in Indien eine wesentlich größere Rolle spielt wie in der westlichen Kultur? Was sagt der Bruder, was sagen die Großeltern und so weiter. Am Abend war dann alles in besten Windeln! Der Junge – damals 1700 gramm schwer – wiegt inzwischen 2500 gramm. Sein Name ist Joe-Ham. Das „a“ wird wie“ ä“ ausgesprochen.

 

Nach 10 Tagen Krankenhausaufenthalt und regelmässigem Besuch beim Kinderarzt, sind die Ärzte, die Eltern und Joe- Ham sehr zufrieden.

Es ist wie Weihnachten und Ostern an einem Tag!! Neues Leben für das Ehepaar und für Joe-Ham. Ich bin sehr dankbar, dass sich gleich eine Patenschaft ergeben hat; denn Susila und Bastian konnten sich keine 9 Monate auf eine Baby vorbereiten.

Ansonsten versuchen wir die schleichende Hitze zu meistern. Was uns im Augenblick, vor allen Dingen nachts, schwerfällt; denn alle 2 Stunden fällt der Strom für 45 Minuten aus, nicht zu vergessen, der 3 stündige Stromausfall am Morgen und am Nachmittag. So kommen wir auf einen 10stündigen Stromausfall pro Tag. Was uns zu der Überlegung führte, ob wir nicht für die Ventilatoren eine neue Solar Anlage installieren sollen. Ich habe den Kostenvoranschlag eingeholt.

Seit heute bekommt jede Familie nur noch 4 Gasflaschen pro Jahr, wenn mehr benötigt wird, muß zu einem horrenten Preis eingekauft werden – früher 400 Rupee, dann 1200 Rps.  In unserem Haus können wir mit einer Gasflasche 3 Wochen kochen. Die Vergabe von  Gas  wird vom Staat kontrolliert.

Vergangenen Freitag sind wir der Einladung zur Verlobung von Meena gefolgt. Meena arbeitet seit 2006 in unserem Nähzimmer. Sie ist inzwischen 24 Jahre alt. Über Jahre ist die Familie zu verschiedenen Tempeln gepilgert und hat für einen guten Ehemann gebetet und Opfer dargebracht. Jetzt ist es so weit. Das Fest fand im Haus der Eltern von Meena statt. Es war wunderschön geschmückt und dekoriert. Eine kleine  Bühne war aufgebaut. Als die Familie des Bräutigams einen Sari geschenkt hat, verschwand Meena und auf der Bühne  wurde tüchtig diskutiert. Die Männer der beiden Familien setzten sich damit auseinander, wieviel Mitgift Meena mitzubringen hat und wann wohl der „gute Tag“ für die Hochzeit sein soll. Es ging heftig zu, aber das erstemal erlebte ich, das die Seite des Mannes auf die Mitgift verzichtete.

Dann wurde die Bühne frei gemacht und Meen erschien im neuen Sari, geschmückt mit vielen Blumen. Sie konnte betrachtet werden! Dann kamen ihre Eltern auf die Bühne und sie hat sich vor Ihnen zu verbeugen und die Füße zu berühren. Dann wurde gegessen. Der junge Mann stand mit Freunden in einer Ecke und war stiller Beobachter. Ich machte meinen Kommentar, dass es ein gutaussehender junger Mann sei, da gab Meena zur Antwort:“ ich habe ihn mir noch nicht angeschaut“!! Auch nicht aus den Augenwinkeln, fragte ich sie. Die Antwort kam prompt:“Nein“. Die Hochzeit wird am 7. Juni stattfinden.

Jetzt bleibt mir noch Platz Ihnen ein gesegnetes Osterfest zu wünschen. Wir werden dem indischen Sommer entgegen gehen, der uns über 41 Grad C bescheren wird. Die Zeit wird ausgefüllt sein mit einer Tagung für junge Frauen, einem Kinderfreizeitprogramm, Anmeldungen für das College und Ertragen der Hitze.

Geruhsame Festtage wünschen wir alle und die Freude im Herzen, die Joe-Ham nicht nur den Eltern sondern uns und der ganzen Nachbarschaft bringt.

Gisela Häring